Dienstag, 22. März 2011

Soziales Immunsystem und geschlechtsspezifische lebensqualität

Soziale Netzwerke haben die Funktion individuelle Belastungen der Umwelt abzufedern. In Analogie wird hier auch vom sozialen immunsystem gesprochen. So ist eindeutig belegt, dass eine fehlende soziale Unterstützung mit einer erhöhten Mortalität korreliert. Die sozialen Netzwerke von Männern sind in der Regel berufsorientiert. Dies bedeutet, dass hier eine höhere Anfälligkeit des sozialen Netzwerkes bei Arbeitsplatzverlust oder Erkrankung besteht. So muss die Bedeutung von sozialen Netzwerken bei älteren Männern für die Morbidität und Mortalität sehr hoch angesetzt werden. Hinweisend hierfür ist die ansteigende Morbidität nach Arbeitsplatzverlust, aber auch nach Beginn des Ruhestandes. Typisch männlich ist die Fixierung auf eine einzelne Bezugsperson - in der Regel die Ehefrau. In die gleiche Richtung deuten Untersuchungen, die zeigen, dass die Ehe einen hohen gesundheitsprotektiven Wert für Männer aufweist. So kommt es nach einem Verlust der Ehefrau zu einem doppelt so hohen Anstieg der Mortalität bei Männern als bei Frauen nach dem Verlust ihres Ehemannes. Emotional geprägte langjährige Beziehungen über die Ehe hinaus sind bei Männern eher selten anzutreffen. Daraus resultiert die These, dass berufsunabhängige soziale Aktivitäten, die in der Regel vereins und sportorientiert sind, besonders für Männer gesundheitsprotektiv sind und gefördert werden sollen. Eine Schwäche der obigen Betrachtungen zur geschlechtsspezifischen Mortalität liegt in der Betonung der Lebenserwartung. Diese Gewichtung ist kritisch zu hinterfragen. So muss eine höhere Lebenserwartung bei Frauen keinesfalls mit einer höheren Lebensqualität einhergehen. Es ist zudem wahrscheinlich, dass Lebensqualität ausgeprägten geschlechtsspezifischen Einflüssen unterworfen ist, die je nach Lebensalter oder phase variieren. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass aktivitätsorientierte männliche Rollenmuster zu einer höheren Zufriedenheit und zu einer subjektiv höheren Lebensqualität führen. Der Preis für die bessere Lebensqualität der Männer wäre dannsalopp formuliert eine geringere Lebenserwartung. Unterstützt wird diese These dadurch, dass bei vielen Männern die bewusste Einstellung "Lieber kurz und gut als länger und schlechter" nachweisbar ist. So sind einige Risikoverhaltensweisen, die einen unmittelbar erlebten Lebensqualitätsgewinn durch Erfolg und Ansehen (z.B. Risikosportarten, Anabolikaabusus ete) ermöglichen, teilweise zu erklären. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass in fast allen bekannten Gesellschaften es einen Zusammenhang zwischen männlichem Habitus und attraktiver Männlichkeit gibt. Mit dieser Ausrichtung auf sozialen Status und Erfolg hängt zusammen, dass Männer dazu neigen, ihren Körper als Werkzeug zum Erreichen eines Ziel zu instrumentalisieren. Der Körper muss funktionieren im Beruf, wie im Sport oder in der Sexualität. Daraus erklärt sich, dass rücksichtsloses Verhalten gegenüber dem eigenen Körper bei Männern an der Tagesordnung steht und für Erkrankungen eine mechanistische "Ersatzteilmentalität" vorherrscht. Der entscheidende Unterschied zu Frauen liegt somit darin, dass Männer eine Außensicht zu ihrem Körper aufweisen und Überlastungssignale nicht oder verspätet wahrnehmen, sofern es gilt, ein definiertes Ziel (z.B. Karriere, soziale Macht) zu erreichen. Doch liegen darin auch Chancen, männliche risikoreiche Verhaltensmuster oder Lifestyle zu ändern. Es ist wenig hilfreich, stets auf die Defizite im männlichen Gesundheitsverhalten hinzuweisen und weibliche Verhaltensmuster als "gesundheitsprotektiv" zu propagieren. Entscheidend ist es, gesellschafltiche Wandlungsprozesse einzuleiten, die bewirken, dass Gesundheit und gesundheitsbewusstes Verhalten bei Männern mit sozialem Status und Karriere positiv verknüpft werden. Dann wird sich männliches Verhalten von alleine ohne den erhobenen Zeigefinger ändern. Männlichkeit würde sich dann u.a. in einem höheren Gesundheitsbewusstsein äußern, um z.B. das Ziel "sozialer Aufstieg und Anerkennung" zu erreichen. Die ersten Ansätze lassen sich hier möglicherweise in der Generation der gutsituierten 30-50jährigen Männer erkennen (Fitnesswelle). Der erektilen Dysfunktion kommt eine Schlüsselrolle zu, da der Erhalt oder die Wiederherstellung der "Potenz" für Männer ein Wert an sich und wesentlich mit dem Selbstwertgefühl verknüpft ist, und somit quasi durch die Hintertür gesundheitprotektives Verhalten induziert werden kann.

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