Donnerstag, 24. März 2011

Frauenbewegung und Männergesundheit

Zum verinnerlichten Selbstbild der meisten Männer gehört es, möglichst lange für die Außenwelt "dynamisch und erfolgreich" zu wirken und gesundheitliche Probleme zu leugnen. Dies gilt auch für ältere und betagte Männer. Andrologische Erkrankungen unterliegen einem Wandel nicht nur in der Therapie, sondern auch ihrer übergeordneten sozialen und gesundheitswissenschaftlichen "Relevanz". Das Prostatakarzinom mit seinerslark steigenden Inzidenz, die erektile Dysfunktion, koronare Herzkrankheit, Miktionsstörungen, Depression und Adipositas des älteren Mannes spielen Schlüsselrollen und weisen zudem eine Reihe von pathophysiologischen Verbindungen und Gemeinsamkeiten auf. Zudem lassen sich die meisten dieser Erkrankungen durch eine geschlechtsspezifische Prävention verhindern oder hinauszögern. Prävention und Gesundheitsförderung und noch mehr eine geschlechtsspezifische Prävention für Männer dürfen in Deutschland als unterentwickelt angesehen werden. Emanzipation und Frauenbewegung haben zweifellos notwendige Veränderungen bei traditionellen Denkmustern bewirkt. Allerdings wurde nicht selten versucht, weibliche Eigenschaften und Denkweisen auf das Männerbild überzustülpen. Der neue Mann soll einfühlsam, empfindsam und friedliebend sein. Dennoch soll er auch in Gesellschaft, Beruf und Familie seinen "Mann" stehen, denn sonst verliert er an Attraktivität. Er soll quasi einen Teil seiner männlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen zur richtigen Zeit ablegen und zu einer anderen Zeit betonen..DiesenSpagatkönnen die meisten Männer nicht leisten. Wir wissen, dass eine Reihe von männlichen Verhaltensmustern zumindest teilweise, neurobiologisch fixiert und durch Umwelteinflüsse vor allem in der Jugend modulierbar sind. Dazu gehören insbesondere gesundheitsschädigendes Ernährungs und Suchtverhalten. Die simple Forderung nach einer Änderung riskanter Verhaltensmuster alleine mit dem erhobenen Zeigefinger ist jedoch zum Scheitern verurteilt. Die einfache Grundthese, dass weibliche und männliche Denk- und Verhaltensmuster größtenteils Sozialisation prozessen und einer "vernünftigen" Einsicht unterliegen, ist leider falsch und wird tagtäglich widerlegt. Diese These leugnet die morphologisch und neurobiologisch gut dokumentierten geschlechtsspezifischen Unterschiede, die sich natürlich auch in geschlechtspezifischen Verhaltensmustern niederschlagen. Die große Mehrheit der Männer kann und wird daher die Inhalte eines neuen Männerbildes solange nicht akzeptieren, wie typisch männliche Verhaltensvariablen und männerspezifische Erkrankungen ignoriert bzw. tabuisiert werden. Die Frauenbewegung hat glücklicherweise dafür gesorgt, dass der Gesundheitszustand von Frauen Gegenstand der Forschung und der öffentlichen Diskussion wurde. Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten war die Frauenbewegung wichtiger Impulsgeber für gesellschaftliche und gesundheitsspezifische Wandlungsprozesse.Auch in gesundheitsbezogenen Fragestellungen konnten Frauen profitieren. Dies belegen auf der epidemiologischen Ebene der geschlechtsspezifische Lebenserwartungsunterschied von ca. 6,5 Jahren und auf der Individualebene die relativ hohe Akzeptanz von Vorsorge und Prävention beim weiblichen Geschlecht. Beispiele sind das Mammographiescreening oder die fast dreifach höhere Vorsorgeakzeptanz (37 % aller Frauen versus 140/0 aller Männer).ln diesem Zusammenhang ist kennzeichnend, dass es in einigen Bundesländern und auch auf Bundesebene zwar einen Frauengesundheitsbericht, jedoch keinen Männergesundheitsbericht gibt. Besonders bemerkenswert ist, dass auf politischer Ebene die Notwendigkeit einer männerspezifischen Betrachtung gesundheitsbezogener Zusammenhänge gerade von männlichen Entscheidungsträgern als nicht wichtig erachtet wird. Somit existiert eine zur Frauenbewegung analoge Männerbewegung, die ein Bewusstsein über die verschiedenen spezifischen männlichen Erkrankungen und Rollenmuster und deren Ursachen etabliert, bislang nicht. Die erektile Dysfunktion erlaubt den Einstieg in eine solche Diskussion, da es sich zwar um ein spezifisches Männerproblem, jedoch auch um einen Frühmarker für generelle männliche Gesundheitsprobleme handelt. Die Beschäftigung mit dem Thema "Männergesundheit" wäre nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Gleichberechtigung, sondern würde mit Sicherheit Erkenntnisse in der medizinischen und soziologischen Grundlagenforschung hervorbringen, die beiden Geschlechtern dienen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen